Gesetzliche Krankenversicherung

Patienteninformation zum GKV-Modernisierungsgesetz (GMBG) ab 01.01.2004

Liebe Patientinnen und Patienten,

mit dieser Information versuchen wir die Regelungen des sogenannten GKV-Modernisierungsgesetzes verständlich zu erklären.

Ziel dieser Informationsschrift ist neben der Wissensvermittlung eine Hilfestellung, damit kein Patient bei den fälligen Zuzahlungen benachteiligt wird.

1. Belastungsgrenzen / Gebührenbefreiung

Ab dem 01.01.2004 gibt es keine sogenannte Rezeptbefreiung mehr. Jeder zahlt (auch die sogenannten Chronisch Kranken, die bisher befreit waren) und zwar bis zu einer Grenzbelastung, die bei 2 Prozent des Jahresbruttoeinkommens liegt (bei chronisch Kranken: 1 Prozent).

Man kann davon ausgehen, dass die ehemals zuzahlungsbefreiten Patienten dieser neuen 1-Prozent-Regelung unterliegen. Die bisher gültige Härtefallregelung entfällt mit Inkrafttreten des GMG 2004.

Tipp 1:

Jeder sollte seinen persönlichen Zuzahlungsgrenzwert kennen. Sobald dieser erreicht ist, müssen Sie bei Ihrer Krankenkasse die Befreiung von weiteren Zuzahlungen beantragen. Sie erhalten dann einen Befreiungsnachweis.

Zwei Beispiele:

Beispiel 1: Eine Rentnerin bezieht monatlich 1.000 Euro brutto (im Jahr also 12.000 Euro). Bei chronischen Erkrankungen greift die 1-Prozent-Regel, was einer Belastung von 120 Euro entspricht. Man kann davon ausgehen, dass diese Grenze durch Zuzahlungen (Praxisgebühr, Medikamente, Heilmittel etc.) bereits im Februar 2004 erreicht wird.

Beispiel 2: Betrachten wir eine ganz normale Familie mit einem Brutto-Einkommen von 2.500 Euro im Monat. In der Familie gibt es keine Chronisch Kranken, also greift die 2 %-Regel, der Grenzwert der Zuzahlung liegt dann bei 600 Euro (2 % von 30.000 Euro Jahreseinkommen). Die Belastungsgrenze orientiert sich am Haushaltseinkommen. Das bedeutet: Die Zuzahlungen des Versicherten und seiner Familienangehörigen werden zusammen-gerechnet. Ebenfalls zusammengezählt werden dabei auch die Einnahmen aller Familien-angehörigen.

Für Kinder und andere Angehörige wird ein Freibetrag von jeweils 3.648 Euro gewährt.

Der oben berechnete Grenzwert von 600 Euro ist dann vielleicht erst zur Jahresmitte 2004 erreicht; und man muss schon etwa 20 verschiedene Zuzahlungsbelege sammeln, um die Befreiung beantragen zu können.

Wichtig: Maßstab ist das Brutto-Jahreseinkommen. Rentner sollten diesbezüglich in ihrem Rentenbescheid nachsehen.

Tipp 2:

Informieren Sie sich schnellstens über die genaue Höhe Ihres Brutto-Jahreseinkommens.

Sind Sie „chronisch krank“? Oder präziser formuliert: haben Sie bereits (bei Ihrer Krankenkasse – nicht in der Praxis!) einen Antrag auf Härtefallbefreiung für Chronisch Kranke gemäß § 62 SGB V gestellt?

Voraussetzung hierfür sind:

  • die Dauerbehandlung derselben Krankheit und
  • die Höhe des Einkommens /der Rente. Der für Sie geltende Grenzwert ist abhängig von der Personenzahl Ihres Haushaltes.

Die Formulierung „dieselbe Krankheit“ bedeutet, dass die  Krankheit ununterbrochen besteht und durch regelmäßige Behandlung bei demselben Arzt nachgewiesen werden kann.

Dauerbehandlung bedeutet, dass Sie mindestens 1 Jahr lang wenigstens einmal pro Quartal bei demselben Arzt in Behandlung standen.

Belastungsgrenze Familieneinkommen bei Härtefällen
Personengruppe Euro
Alleinstehende 952
Ehepaare oder Versicherte mit einem Angehörigen 1.309
Jeder weitere Haushaltsangehörige 238

Tipp 3:

Überprüfen Sie bitte umgehend bei Ihrer Krankenkasse, ob bei Ihnen  die Voraussetzungen für einen Antrag  auf Härtefallbefreiung vorliegen.

Aus unserer Praxis-EDV ist zu entnehmen, dass eine ganze Reihe von Patienten einerseits einer Dauertherapie bedürfen (z.B. Blutdruckmedikamente), andererseits aber nicht zuzahlungsbefreit sind.

Quittungsbelege über Zuzahlungen sind zukünftig immer auf den Namen eines Patienten ausgestellte Bescheinigungen.

Tipp 4:

Ab Januar 2004 alle Zuzahlungsbelege namentlich getrennt sammeln!

ZUzahlung ist nicht BEzahlung. In beiden Fällen haben Sie zwar Ihr Geld nicht mehr, aber rezeptfreie Medikamente - die Sie zukünftig selbst bezahlen müssen - haben mit Zuzahlungen, die sich bis zum persönlichen Grenzwert aufaddieren, leider nichts zu tun (Näheres unter dem entsprechenden Stichwort).

2. Zuzahlungen zu Medikamenten und Hilfsmitteln

Bis zum 18. Lebensjahr sind Kinder und Jugendliche von Zuzahlungen befreit.
Bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, Verbandsmitteln und bei Hilfsmitteln (z.B. Einlagen) müssen alle anderen Patienten künftig 10 % der Kosten selbst tragen. Die Zuzahlung beträgt dabei mindestens 5, höchstens jedoch 10 Euro.

Beispiel: Bei einem Medikament für 80 Euro zahlt ein Patient 8 Euro zu. Bei einer Salbe für 7 Euro werden dagegen nicht 70 Cent, sondern 5 Euro (Mindest-Zuzahlung) fällig. Ein sehr teures Medikament für 150 Euro „kostet“ den Patienten dagegen “nur“ 10 Euro (Höchstgrenze).

Auch bei Heilmitteln wie z.B. Krankengymnastik, Ergotherapie oder Massage, müssen Patienten 10 % der Kosten selbst tragen. Dazu addieren sich 10 Euro pro Rezept. Das heißt: Wer vom Arzt sechs Therapieeinheiten verordnet bekommt, zahlt 10 Prozent der gesamten Behandlungskosten plus einmalig 10 Euro.

Das gleiche gilt für die häusliche Krankenpflege – zum Beispiel, wenn ein Patient nach einer Operation zu Hause von einem Pflegedienst versorgt wird, damit er das Krankenhaus schneller verlassen kann. Bei der häuslichen Krankenpflege bleibt die Zuzahlung aber auf die ersten 28 Tage der Inanspruchnahme begrenzt.

Dabei kassiert und quittiert immer der sogenannte Leistungserbringer (also auch die Schwester, welche die häusliche Pflege durchführt) die Leistung.

Zwei Beispiele:

Beispiel 1: Verordnung über 8x Krankengymnastik zu 111,52 Euro. Sie zahlen zukünftig gegen  namentlich ausgestellte Quittung.

Art der Leistung Zuzahlung in EUR
Rezeptverordnung 10,00
Krankengymnastik 10% 10,00
Gesamt 20,00

Beispiel 2: Verordnung über 6x Lymphdrainage (Kosten: 84,66 Euro). Sie zahlen zukünftig gegen namentlich ausgestellte Quittung.

Art der Leistung Zuzahlung in EUR
Rezeptverordnung 10,00
Lymphdrainage 10% 8,47
Gesamt 18,47

Tipp 5:

Brauchen Patienten nicht nur regelmäßig Medikamente, sondern bedürfen auch verschiedener Behandlungsmaßnahmen der physikalischen Therapie, so ist der Zuzahlungsgrenzwert schnell erreicht.

Man hat bei der Debatte über dieses Gesetz im Bundestag geschätzt, dass 80 Prozent der deutschen Bevölkerung den Zuzahlungsgrenzwert erreichen werden. Also 8 von 10 Personen (selbst mit sogenanntem hohen Einkommen) sollen bei einer Krankenkasse ihre finanziellen Verhältnisse offen legen – und zwar inklusive sämtlicher Nebeneinnahmen und Zinseinkünften!

3. Fahrtkosten 

Fahrten zu einer ambulanten Behandlung übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen in Zukunft nur noch in Ausnahmefällen und nach vorheriger Genehmigung. Auch dann muss der Patient – ebenso wie bei Fahrten zur stationären Behandlung – 10 % der Fahrtkosten zuzahlen, mindestens jedoch 5 und höchstens 10 Euro.

Damit muss ein Dialysepatient seine Fahrt zum Behandlungszentrum zukünftig bei der Kasse beantragen (oder auch ein Karzinompatient bei den Fahrten zur Chemotherapie).

4. Haushaltshilfen 

Familien mit Kindern, die eine Haushaltshilfe brauchen – z.B. weil die Mutter im Krankenhaus liegt – müssen pro Tag 10 Prozent der Kosten selbst übernehmen. Dabei beträgt die tägliche Zuzahlung wie bei Medikamenten- und Fahrtkosten mindestens 5, höchstens aber 10 Euro.

5. Stationäre Behandlung 

Wer im Krankenhaus behandelt wird, in einer Rehaklinik untergebracht ist oder eine Mutter-Kind-Kur in Anspruch nimmt, zahlt 10 Euro pro Tag. Die Zuzahlung ist auf 28 Tage im Kalenderjahr beschränkt. Das heißt: im Extremfall werden 280 Euro gezahlt.

6. Häusliche Krankenpflege 

Die Tageskosten der häuslichen Krankenpflege in den unterschiedlichen Pflegekassen sind in der Praxis leider nicht bekannt. Der Grenzwert liegt hier aber auch bei 280 Euro (28 Tage zu je 10 Euro).

7. Medikamente: Rezeptfrei oder Rezeptpflichtig? 

Rezeptfreie Medikamente werden seit dem 01.01.2004 grundsätzlich nicht mehr von den Krankenkassen erstattet.

Es wird Ausnahmen geben, die aber nicht vor dem 01.04.2004 feststehen dürften. Daher werden ab 1. Januar bis auf Weiteres alle nicht rezeptpflichtigen Medikamente auf ein Privatrezept verordnet.

Sofern Sie regelmäßig Medikamente benötigen, sollten Sie nachfragen, ob Ihre Medikamente von der Neuregelung betroffen sind und was diese Medikamente zukünftig kosten. Alle Preise sind in unserer Praxis – EDV verfügbar.

Zitat: (Gesundheitsmodernisierungsgesetz Seite 238 § 34 Doppelbuchstabe aa):

.... Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel werden bereits bisher in den Apotheken zu überwiegenden Anteil ohne Rezept abgegeben. Es handelt sich dabei um Arzneimittel im unteren Preisbereich von durchschnittlich weniger als 11 Euro je Packung, so dass die Herausnahme dieser Arzneimittel aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für den einzelnen Versicherten sozial vertretbar ist....

Die größte verordnungsfähige Einheit ist eine „N3“-Packung.

Tipp 8:

Informieren Sie sich bei Unklarheiten, ob Ihre Medikamente auch künftig von der Kasse bezahlt werden.

Senden Sie insbesondere die „Privatrezepte“ teurer Dauermedikamente an Ihre Krankenkasse - mit der Bitte um Kostenerstatung!

8. Überweisungen 

Überweisungen sind grundsätzlich über Quartalsgrenzen hinweg gültig.

9. Von A bis Z 

Chipkarte:

Die bisherige Chipkarte wird ab 2006 durch eine elektronische Gesundheitskarte ersetzt, auf der chronische Erkrankungen, Allergien, Dauermedikamente etc. gespeichert werden können.

Kind (12. Geburtstag):

Bis zum 12. Lebensjahr eines Kindes werden rezeptfreie Medikamente weiter von der Kasse übernommen. Ab dem  12. Geburtstag müssen rezeptfreie Hustensäfte, Grippemittel usw.  voll bezahlt werden.

Krankengeld:

Bis 2006 wird Krankengeld weiter von den Krankenkassen bei längerer Arbeitsunfähigkeit (ab der siebten -Woche) bezahlt. Ab 2006 wird den Versicherten ein Sonderbeitrag von 0,5 % des Bruttoeinkommens abgezogen.

Leistungsausgrenzungen:

Sterbegeld und Entbindungsgeld werden ersatzlos gestrichen. Zuschüsse zu Sehhilfen und Brillen erhalten nur noch Kinder unter 18 Jahren sowie schwerst Sehbehinderte.

Patientenquittung:

Auf Wunsch können Patienten künftig eine Patientenquittung aller Leistungen und Kosten eines Quartals gegen Zahlung von einem Euro plus Portokosten erhalten.

Rentner:

Rentner müssen auf Betriebsrenten und Nebeneinkünfte statt des halben künftig den vollen Verscherungsbeitrag zahlen. Dadurch verringert sich die Höhe der ausgezahlten Netto-Rente.

Zahnersatz:

Brücken, Kronen und Prothesen müssen von 2005 an privat finanziert werden. Die Versicherten können frei zwischen den Versicherungsangeboten von Gesetzlichen und privaten Kassen wählen. Der geschätzte Monatsbeitrag dürfte für Gesetzliche Kassen bei ca. 6 Euro liegen. Familienangehörige sind beitragsfrei mitversichert. Für diese 6 Euro bekommen Sie aber die Kosten für eine Zahnkrone nur zu 50 % erstattet.